Die berühmte Warum-Frage hat sich wohl jede/r schon einmal gestellt. Warum ich, warum nur? Auf der Suche nach einem kleinen Stück Gerechtigkeit und vielleicht mit der Hoffnung das jemand den vermeintlichen Fehler bemerkt und rückgängig macht, stellen wir die Frage in den Raum und finden doch so gut wie immer keine Antwort.
Diese Frage nach dem Warum ist also oft frustrierend. Die eine Antwort gibt es nicht. Wohl aber Erklärungsmodelle und -theorien, die helfen sollen zu verstehen wie eine Situation entstanden sein könnte und wodurch sie aufrecht bleibt.
Das Vulnerabilitäts-Stress Modell ist ein solches Erklärungmodell aus der Psychologie. Es versucht auf einfache Art zu erklären, wieso manche Personen bei Belastung und Stress in Überforderung oder in eine Krise geraten, während andere stabil bleiben und sich auch auf rauer See sicher fühlen.
Wie der Name schon sagt geht es dabei um die zwei Begrifflichkeiten Vulnerabilität und Stress:
- Vulnerabilität bedeutet wortwörtlich übersetzt „Verletzlichkeit“, „Empfindlichkeit“ und meint die Vorbedingungen die eine Person mitbringt. Darunter versteht man bestimmte gentische Voraussetzungen, lebensgeschichtliche Ereignisse, bereits vorhandene gesundheitliche Einschränkungen körperlicher oder psychischer Natur, Persönlichkeitsmerkmale und zur Verfügung stehende Ressourcen und Werkzeuge um mit Belastung umzugehen.
- Stress bedeutet Belastung jeglicher Art. Diese Belastung kann seelischer oder körperlicher Natur sein; zwischenmenschlich oder intrapsychisch (in der eigenen Person). Beispiele für mögliche Belastungen, die Stress auslösen, sind: Überforderung im Job, Misserfolge, Termindruck, persönliche Schicksalsschläge, familiäre- oder Beziehungsprobleme oder auch eigene Ansprüche an sich selbst, alles perfekt oder besonders schnell erledigen zu müssen oder niemanden enttäuschen zu wollen.
Je nachdem welche Vulnerabilität eine Person mitbringt, wird nun ein und derselbe Stressor (Belastung) unterschiedlich starke Auswirkungen auf die emotionale Stabilität der Person und somit auf ihre psychische Gesundheit haben.
In unten stehender Grafik soll dies anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Die rote Linie stellt den entscheidenden Wendepunkt dar, an dem Stress und Belastung zu viel werden. Schnell wird klar, dass dieser Wendepunkt bei unterschiedlichen Personen unterschiedlich „schnell“ erreicht wird: Während Sara trotz Beziehungsproblemen und aktuellen finanziellen Sorgen stabil bleibt, ist Ludwig bereits beim Auftreten geringer Schwierigkeiten am Arbeitsplatz (hier: Termindruck) an seinen persönlichen Grenzen angelangt.

Zu verstehen wann und wie schnell diese individuelle Grenze erreicht ist, ist ein erster und wichtiger Schritt um zukünftigen Belastungssituationen entsprechend begegnen zu können. In einem weiteren Schritt empfiehlt es sich, den eigenen „Schwachstellen“ auf den Zahn zu fühlen und sein Handwerkszeug – u.U. durch therapeutische Begleitung – auszubauen. Wesentlich dabei sind Komponenten der tatsächlich gelebten Selbstfürsorge.
Petra Zöchling, Arbeitsassistenz, Institut zur beruflichen Integration
